Mathematischer Exkurs III

Ausgleichung nach vermittelnden Beobachtungen

Gegeben seien m lineare Gleichungen für die n gesuchten Größen x = (x1, x2, ..., xn)T 1)2)

A x = b   .

Es wird ferner vorausgesetzt, dass die n Spaltenvektoren a1, a2, ..., an der m×n-Matrix A linear unabhängig sind. Dies impliziert, dass notwendig m > n ist. Diese Situation tritt immer dann auf, wenn für die n unbekannten Größen mehr Bestimmungsstücke ermittelt / gemessen wurden, als zu deren Berechnung notwendig sind. So ein überbestimmtes lineares Gleichungssystem hat in der Regel keine Lösung. Deshalb führt man noch einen Vektor v = (v1, v2, ..., vm) ein und fordert, dass die Gleichung

A x = b + v

erfüllt wird3) und zugleich

[vv*] = min

gilt4) (Methode der kleinsten Quadrate).

Geometrische Interpretation 
der Ausgleichsaufgabe Dieser Ansatz besitzt folgende geometrische Interpretation:

Gesucht wird ein Vektor z = A x = x1 a1 + x2 a2 + ... + xn an in dem von den Vektoren a1, a2, ..., an aufgespannten Unterraum (der in der Grafik nur als Gerade dargestellt ist), so dass der euklidische Abstand von z und b minimal wird. Man beachte, dass v = z - b = A x - b und der euklidische Abstand von z und b durch die Länge des Vektors v definiert und durch vT v* )1/2 = ([vv*])1/2 zu berechnen ist. Da die Wurzelfunktion eine streng monoton wachsende Funktion ist, sind die beiden Aussagen

([vv*])1/2 = min

und

[vv*] = min

gleichbedeutend (äquivalent).

Die Minimalität der Länge des Vektors v ist dann gegeben, wenn die Vektoren z und v orthogonal sind, d. h. im rechten Winkel zueinander stehen. Dies ist genau dann der Fall, wenn zT v* = 0 ist. zT v* = (vT z*)* bezeichnet man als Skalarprodukt der Vektoren z und v .) Diese Bedingung wiederum gilt genau dann, wenn für alle i = 1(1)n die Vektoren ai und v orthogonal sind, also für alle i = 1(1)n ist dann aiT v* = 0 . Dies sind n Gleichungen, die sich einfacher durch

AT v* = AT (A x - b)* = 0 = 0* = (AT)* (A x - b)** = (AH) (A x - b)

schreiben lassen5), was mit der Gleichung

  AH A x = AH b  

gleichbedeutend ist. Dies ist ein lineares Gleichungssystem (n Gleichungen mit n Unbekannten, die man als Normalgleichungen bezeichnet), das unter der Voraussetzung der linearen Unabhängigkeit der Spaltenvektoren a1, a2, ..., an der Matrix A stets eine eindeutige Lösung x besitzt (Details).

Beispiele:


1) Vektoren werden mit fetten, aufrechten Kleinbuchstaben, Matrizen mit fetten, aufrechten Großbuchstaben bezeichnet. (Zurück zum Bezug)

2) Der Vektor x ist ein Spaltenvektor; zwecks einer einfacheren Darstellung ist er zunächst als Zeilenvektor angegeben, der Exponent T besagt, dass der Vektor zu transponieren ist. Da das Transponieren eine Operation ist, die sowohl auf Matrizen wie auch auf Vektoren (als einzeilige oder einspaltige Matrizen) anwendbar ist, soll sie gleich für Matrizen erläutert werden. Ist A = (ai,j)i=1(1)m,j=1(1)n eine m×n-Matrix, so ist AT = (aj,i)j=1(1)n,i=1(1)m eine n×m-Matrix (quasi an der Matrixdiagonalen gespiegelt). Gleichermaßen macht das Transponieren aus einem Zeilenvektor einen Spaltenvektor und umgekehrt. (Zurück zum Bezug)

3) v bezeichnet den Vektor der Verbesserungen, die an die (gemessenen) Istwerte b anzubringen sind, damit sie die Sollwerte A x ergeben. (Zurück zum Bezug)

4) Wegen der einfacheren Darstellung mit Mitteln von HTML wird hier - soweit dem nichts entgegensteht - das Gauß'sche Summensymbol verwendet werden, was im Vermessungswesen gang und gäbe ist. Die Summe über i von 1 bis n der Größen vi wird so einfach in der Form [v] geschrieben, analog die Summe der Quadrate der reellen(!) Größen vi in der Form [vv], die sich gegenüber [v2] durchgesetzt hat. Hieraus leitet sich auch der Begriff Methode der kleinsten Quadrate ab. Für komplexe Zahlen ist [vv*] einzusetzen. (Zurück zum Bezug)

5) Zunächst ist festzuhalten, dass zu einer Matrix A = (ai,j)i=1(1)m,j=1(1)n die konjugiert komplexe Matrix durch A* = (ai,j*)i=1(1)m,j=1(1)n definiert ist. Gleiches gilt für Vektoren.
Die Anwendung des Transponierens und der Bildung des konjugiert Komplexen auf eine Matrix ist vertauschbar und wird als zusammengefasste Operation mit dem Exponenten H kenntlich gemacht, also gilt AH = (AT)* = (A*)T .
Der Buchstaben H bezieht sich im vorliegenden Zusammenhang auf den französischen Mathematiker C. Hermite. Eine quadratische Matrix A heißt hermitesch, wenn AH = A . (Zurück zum Bezug)


Zurück zur Hauptseite Erstellt von Wolfgang Volk im September 2004
Zuletzt formal korrigiert am 4. September 2012

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